Seite 2/6 Medienzeiten

2. Medienzeiten

Wie hoch der Stellenwert der Medien im Alltag der Menschen ist, zeigt die Mediennutzungsforschung (Breuning/van Eimeren 2015). Im Durchschnitt der Bevölkerung ab 14 Jahre werden Fernsehen, Radio, Internet (privat), Printmedien und Speichermedien rund zehn Stunden täglich genutzt – oder 70 Stunden wöchentlich (ohne Social Media und Onlinespiele). Ungeachtet der allgemein beklagten Zeitnot wird also auf Medien nicht verzichtet. Das funktioniert in diesem Ausmaß zeitlich nur, weil viele Medien parallel und nebenbei genutzt werden (z.B. das Radio im Auto). Spitzenreiter sind nach wie vor Fernsehen (208 Min. täglich) und Radio (173). Das Internet wird privat im Durchschnitt (ab 14 Jahre) 107 Min. täglich genutzt (davon 26 Min. publizistische Medien), von den 14-29 Jährigen 187 Min. (davon 48 Min. publizistische Medien). Die Forschungsdaten spiegeln auch die bekannten Akzeptanzprobleme der teuren Printmedien, insbesondere bei jungen Zielgruppen (Zeitungen z.B. werden von 14-29 Jährigen nur noch 9 Min. täglich genutzt).

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Medien haben unterschiedliche soziale Funktionen und begleiten Menschen den ganzen Tag über: Das Fernsehen ist für die meisten ein Abend- und Entspannungsmedium, das Radio ein Tagesbegleiter, das Internet wird rund um die Uhr genutzt und die Tageszeitung ist eher ein Morgenmedium.

Durch das Smartphone sind immer mehr Medien mobil verfügbar. Smartphones tragen zudem permanent Aufgaben an uns heran, lenken ab und können z.B. ein persönliches Gespräch oder einen Arbeitsflow stören – laut ersten Vorabauswertungen eines Projekts der Universität Bonn (menthal.org) im Durchschnitt alle zwölf Minuten (mit großen Bandbreiten). Diese und andere Daten liefert eine kostenlose App, die eine Forschungsgruppe aus Informatikern und Psychologen entwickelt hat, damit Nutzer freiwillig ihren Umgang mit dem Smartphone überprüfen können. Interessant ist, dass inzwischen auch immer mehr sogenannte Digital Natives, die mit dem Smartphone aufwachsen, die permanente Erreichbarkeit und Unterbrechung als Stress empfinden. Nach einer repräsentativen Befragung (Knop et al. 2015, im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW) von Jugendlichen im Alter von 8-14 Jahren und ihren Eltern fühlt sich knapp ein Viertel durch permanente Kommunikation über Messenger-Dienste gestresst, acht Prozent gelten als suchtgefährdet.

Christian Schwägerl (2015) zeigt in einem Beitrag in ZEIT-Wissen, wie sich die individuelle Eigenzeit von Menschen durch das Smartphone als Taktgeber verändert. Die Nutzung des Geräts ist für viele stimulusorientiert – jedes Mal werden Belohnungsmoleküle in Form von Dopamin ausgeschüttet, was kurzzeitig Befriedigung auslösen kann, „aber letztlich ist das ein Zeit- und Ichtöter“, wie der Psychologe und Zeitforscher Marc Wittmann (2015) es zugespitzt formuliert.

Der Stressreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Initiative Neue Qualität der Arbeit) und andere Studie belegen, dass auch die zeitliche Verdichtung der Arbeit immer mehr Menschen krank macht. Und ganz langsam spricht sich herum, dass Multitasking nicht effizient ist. Smartphones können nützlich sein, aber so wie viele sie nutzen, sind sie letztlich Zeiträuber und Aufmerksamkeitskiller.

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