Andreas Grabolle ist Autor des Buches „Kein Fleisch macht glücklich“ und betreibt Öffentlichkeitsarbeit zu den Themen Umwelt, Nachhaltigkeit und Ernährung. Er lebt selbst vegan. Er sieht Ernährung als Medienthema auf einem guten Weg, „aber es ist erst der Anfang“.
Wie sehen Sie die Berichterstattung über Vegetarismus in Deutschland?
Sie hat sich ganz deutlich verändert. Bis 2010 war sie relativ kritisch und oft auch negativ konnotiert, vor allem wenn es in Richtung vegane Ernährung ging. Oft wurde der Gesundheitsaspekt sehr kritisch betrachtet oder es wurde als extreme, sehr verzichtorientierte Lebensform wahrgenommen. Es wurden gesundheitliche Studien zitiert, die sich auf Defizite bei Kinderernährung fokussiert haben, obwohl die Studien oft sehr alt waren und nicht die typisch vegane Ernährung betrafen, sondern makrobiotische Ernährungsformen. Je nach Medium wird sich damit nur oberflächlich befasst. Es gibt Kritikpunkte, die an den Haaren herbeigezogen sind. Auf „Zeit Online“ gab es gerade einen Artikel, in dem stand, dass vegane Fertignahrung auch nicht gesünder als andere Fertignahrung sei. Wie sollte es auch anders sein? Das überrascht nicht. Insgesamt wurde in den letzten paar Jahren aber häufiger über das Thema berichtet, und auch positiver. Man kann sagen: Das Thema, vor allem Veganismus, ist medial sehr präsent geworden und nicht mehr in der „extremen Ecke“.
Woher kommt der Wandel?
Es ist schwierig das an einzelnen Sachen festzumachen. Das Thema kam vorher schon wegen verschiedener Skandale immer wieder vor, zum Beispiel die Lebensmittelreinheit oder den Tierschutz betreffend. Ich denke aber trotzdem, dass es zum Beispiel mit Jonathan Safran Foer und seinem Buch „Tiere Essen“ zu tun hat, Katrin Duves Buch „Anständig Essen“ und Hilal Sezgins „Artgerecht ist nur die Freiheit“, in dem es nur um Tierethik geht. Letzteres ist ein Bestseller geworden, was vor Jahren undenkbar gewesen wäre. Das mediale Grundrauschen hat zugenommen. Das Thema ist nicht nur eine Mode, sondern setzt einen Denk- und Haltungsprozess bei vielen Menschen in Gang. Deshalb glaube ich, dass die Zahl der Vegetarier und Veganer zunimmt oder zumindest die Zahl derer, die sich kritisch mit ihrem Fleischkonsum auseinander setzen. Es gibt natürlich auch Bestreben der Fleischproduzenten, dem entgegenzuwirken.
Haben Sie Beispiele?
Zur grünen Woche lag in den ICEs das Hochglanzmagazin „Meat“ vom deutschen Bauernverband aus, in dem vermeintlich kritisch mit dem Thema Fleisch umgegangen worden ist. Es gibt Aufklärungskampagnen in Richtung „Transparenz“. Jahrzehntelang hat die Industrie dem Konsument vorgegaukelt, die Landwirtschaft sähe ganz anders aus als in der Realität. Auf den Packungen waren dann pickende Hühner auf Gras zu sehen. Die Produzenten merken aber, dass das Bild nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Es werden dann Ställe gezeigt, natürlich saubere Vorzeigebilder, auf denen die Tiere mehr Platz haben.
Wie empfinden Sie die Qualtiät der Berichterstattung?
Es ist besser geworden. Die Medien sind dem Thema gegenüber viel offener. Oft kommt das Thema über die Gesundheitsschiene und es tauchen vermehrt Prominente in diesem Kontext auf. Die Berichterstattung und das öffentliche Bild sind vielfältiger geworden. Es gibt noch einen Unterschied zwischen Veganern und Vegetariern. Die Vegetarier „existieren“ ja schon länger im Bewusstsein der Gesellschaft. Veganer sind häufig noch politisch radikaler und werden als missionarisch wahrgenommen. Der Stereotyp des halbverhungerten und spaßbefreiten Vegetariers taucht kaum noch auf. Dazu hat Atilla Hildmann sicherlich viel beigetragen. Er setzt ganz extrem auf schmackhaftes Kochen.
Werden außer der Gesundheit auch Aspekte wie Naturschutz und Klimawandel außreichend behandelt?
Ausreichend noch längst nicht. Es ändert sich ja noch nichts. In vielen Kreisen gibt es ein Umdenken, aber es ist erst ein Anfang. Die Klimadiskussion ist vergleichsweise schwach geworden in den letzten Jahren. Die Umweltaspekte der Ernährung sind in bestimmten Kreisen ein Thema. Da geht es eher „zurück zum Sonntagsbraten“ oder um Flexitarismus. Also weniger Fleischkonsum und nicht ein kategorischer Ausschluss von Fleisch oder Tierprodukten. Was aus meiner Sicht auch Sinn macht. Veganismus macht Sinn, wenn ich Tierrechte vertrete.
Was muss noch passieren in der Berichterstattung?
Wenn dieser Trend beibehalten wird bin ich ganz glücklich. Es darf auch immer wieder kritische Berichte geben, das gehört einfach zu einem gesellschaftlichen Wandel dazu. So eine Bewegung muss damit leben können, dass es auch Widersacher gibt. Es wäre wünschenswert, wenn die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung), die innerhalb der deutschen Medien und in der öffentlichen Wahrnehmung einen hohen Stellenwert hat, sich etwas differenzierter gegenüber veganer Ernährung äußern würde. Gegenüber vegetarischer Ernährung ist die DGE aber positiv eingestellt. Selbst in den Boulevardmedien sind erstaunlich häufig positive Berichterstattungen vorhanden, ganz anders als noch vor ein paar Jahren.