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Keine Chemie auf der Haut: Öko-Mode als Trend

Tragen Sie auch zu Hause ökologische Kleidung?

Klar trage ich zu Hause ökologische Kleidung. Wir haben leider nicht die Socken, die mir gefallen, ansonsten versuche ich die Kleidung immer zu tragen.

Wie sind Sie dazu gekommen, einen Laden für Öko-Mode zu eröffnen?

Die Idee kam 2007. Meine Frau wollte eigentlich erst einen Öko-Kosmetik-Laden aufmachen. Wir haben schnell gesehen, dass es nicht passt. Kurz darauf habe ich mit meiner Firma eine Marktforschungsstudie zu Lebensmitteln durchgeführt. Die jungen Leute, die wir befragt haben, erwähnten immer wieder, dass es jetzt auch die ersten Klamotten gebe, die aus Biobaumwolle sind. Diese seien aber schwer zu bekommen. Dabei habe ich gemerkt, dass es mich selbst interessiert und ich auch gerne einmal Jeans aus Öko-Baumwolle kaufen würde. Es war wirklich schwierig überhaupt eine zu finden, in Frankfurt war es schlicht und ergreifend nicht möglich. Da habe ich gemerkt, was für eine tolle Idee es wäre selbst so etwas zu machen.

Sind Ihre Klamotten wirklich 100 Prozent „Bio“?

Wir stellen unsere Kleidung aus Bio-Baumwolle her. Kleidungsherstellung aus Baumwolle ist nie wirklich umweltfreundlich. Man braucht unglaublich viel Wasser. Deswegen verzichten wir wenigstens auf Chemie. Die beste Art im Bereich Klamotten biologisch wertvoll zu konsumieren, wäre in den Secondhand-Laden zu gehen. Das ist dann aber nicht modisch. Wir haben gesagt, dass wir für die Leute, die etwas mit Mode ausdrücken wollen, die bessere Alternative sein möchten. Auch für sich selbst und für den eigenen Körper.

Das heißt?

Vielen Leuten ist nicht bewusst, dass in allem, was sie anhaben, Chemie enthalten ist. Leute tragen Kleidung aus Baumwolle mit 30% Chemieanteil auf ihrer nackten Haut- an den empfindlichsten Stellen- und machen sich keine Gedanken darüber. Es ist ihnen nicht bewusst, was sie damit langfristig ihrem Körper antun, was die Menschen in der Produktion durchmachen und dass mitunter Kinder in sehr unmenschlichen Bedingungen arbeiten müssen. Viele wollen es auch gar nicht wissen. Deswegen will aber nicht jeder in Sack und Leinen herumlaufen und „ökig“ aussehen. Wir möchten deshalb Mode verkaufen, die möglichst ökologisch und vor allem nachhaltig ist.

Kann man denn nachprüfen, ob die Kleidung wirklich fair und ökologisch produziert wurde? Wie machen Sie das?

Nein, das kann man natürlich nicht nachprüfen. Wir können nicht als kleiner Einzelhändler nach Brasilien, Südamerika, Afrika oder China reisen und das persönlich vor Ort überprüfen. Dafür müsste ich Millionär sein und sehr viel Zeit haben. Man kann sich aber an gewisse Zertifikate und Regeln halten, wohlwissend, dass dafür Papier nötig ist. Nicht alle haben das. Für uns sind die Menschen das Wichtigste. Wir kennen unsere Lieferanten alle persönlich. Daher können wir es sozusagen indirekt kontrollieren, indem wir den Menschen vertrauen, die zu den Produktionsstätten hingehen.

Wer kauft bei Ihnen ein?

70 Prozent Frauen kommen hierher. Unsere typische Kundin ist zwischen Anfang 30 und Ende 40. Also nicht die ganz Jungen. Diese haben schließlich sehr begrenzte Budgets. Außerdem machen die Jüngeren sich noch keine großen Gedanken darüber. Sie schauen eher auf Fashiontrends als auf Nachhaltigkeit. Das war bei mir früher genauso. Meine Töchter dagegen müssen sich darüber Gedanken machen. Die haben gar keine andere Wahl (lacht).

Und wie kommt der Laden so bei den Kunden an?

Hmm… wie kommt der Laden an? Die Idee, der Laden an sich, die Menschen, die im Laden arbeiten, kommen sehr gut an. Es wurden schon unendlich Berichte über uns geschrieben, die für uns quasi Werbung waren, die nichts gekostet hat. Umsatz machen wir aber trotzdem keinen. Der Laden ist eigentlich ein Non-Profitunternehmen.

Warum?

Der Mensch ist beim Kleidungskonsum sehr ambivalent. Er sagt: „Natürlich bin ich gegen Kinderarbeit, natürlich will ich, dass es gute Arbeitsbedingungen gibt. Natürlich finde ich es toll, wenn die Umwelt weniger belastet wird und ich etwas für meinen Körper tue.“ Aber der Sprung zu sagen, dass man deshalb lieber ökologisch und fair produzierte Kleidung statt teure Marken oder Kleidung aus Billiggeschäften wie Primark oder H&M kauft, wird doch nicht gewagt.

Können industrielle Länder wie Deutschland die Entwicklungsländer dahinleiten, ökologisch zu produzieren?

Das ist schwierig, weil die Entwicklungsländer nicht für sich selbst produzieren, sondern für die westlichen Länder. Sie stehen unter diesem riesigen Kostendruck und sie können nur solange produzieren, wie sie einen günstigen Preis anbieten. China war Jahrzehnte lang die Werkbank der Welt- mit unfassbar negativen Auswirkungen auf die Umwelt dort. 70 bis 80 Prozent des Grundwassers in China sind vergiftet und auch die Luft in vielen Großstädten ist giftig. In China wurde produziert, weil seine Arbeitskräfte billig waren. Mittlerweile produzieren andere Länder billiger und laufen China den Rang ab. Wir in den Industrieländern sagen da aber: „Uns geht es super, aber liebe Afrikaner, liebe Inder, ihr dürft nicht das haben, was wir haben.“ Andererseits, wenn die anderen auch so leben wollen wie wir, brauchen wir eine zweite Erde. Oder vielleicht sogar eine dritte. Über diese Zusammenhänge haben sich schon ganz intelligente Leute den Kopf zerbrochen und keine Lösung gefunden.

… deswegen sind wir jetzt auch noch in der gleichen Situation.

Die wird sich auch nicht so schnell ändern. Der Mensch hat eine Tendenz erst dann zu agieren, wenn es wirklich keinen anderen Ausweg mehr gibt. Die Menschen wissen, dass es furchtbar ist, wenn immer mehr Wälder abgeholzt werden. Aber solange es keine andere Chance gibt, macht man es. Erst wenn es fünf vor zwölf ist, merkt man: Oh, wenn wir jetzt den letzten Baum auch noch abholzen, dann sind wir selber tot. Erst dann fängt man an sich Gedanken zu machen. Das ist dann natürlich zu spät. Die Menschheit wird in dem Moment kreativ. Auf einmal gibt es Lösungen für etwas, für das es hundert Jahre lang keine gab.

Wird Öko-Mode in Zukunft zum Trend?

Sie wird langsam weiter steigen. Einen richtigen Durchbruch wird es aber erst geben, wenn entweder eine Kette mit vielen Finanzmitteln aufkommt oder ein toller Hersteller es schafft, zur In-Marke zu werden. Wir haben bisher nämlich keine einzige In-Marke, die Leute unbedingt haben wollen, die nichts mit Ökologie am Hut haben. Wenn wir diese kritische Masse erreichen, wenn wir erreichen, dass die Leute unbedingt diese Marke haben wollen, wenn die Klamotten knapp werden, wenn es soweit kommt, dass die Leute durchdrehen, weil die richtigen Promis – die richtigen Blogger, die richtigen Musiker – auf eine Marke treffen, die das Potenzial dazu hat eine In-Marke zu werden, kann es einen großen Schub geben. Ansonsten wird die Veränderung sehr langsam sein.

Interview: Elisabeth Savin, BA Onlinejournalismus, Hochschule Darmstadt. Dieser Text entstand im Rahmen einer Textwerkstatt im Wintersemester 2015/16. 

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