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Nachhaltigkeit versus Greenwashing – wie nachhaltiges Marketing gelingt

Dr. Silke Bartsch hat mehrere Jahre im Bereich der Nachhaltigkeitssiegel geforscht und beschäftigt sich an der Ludwig-Maximilians-Universität mit Marketing. (Foto: Matthias Rueby)
Dr. Silke Bartsch hat mehrere Jahre im Bereich der Nachhaltigkeitssiegel geforscht und beschäftigt sich an der Ludwig-Maximilians-Universität mit Marketing. (Foto: Matthias Rueby)

Wieso beschäftigen Sie sich mit Green Producing?

Ich habe schon länger zu Nachhaltigkeitssiegeln wie dem Blauen Engel geforscht. Nachhaltigkeitssiegel dienen als Signal und Vertrauensanker, deren Ziel es ist, das Bewusstsein der Konsument*innen zu schärfen und letztlich die Kaufentscheidung zu beeinflussen. Für nachhaltige Produktionen liegt die Verantwortung auf zwei Seiten: zum einen bei den Unternehmen, die zum einen Ihre Produktion auf Nachhaltigkeit prüfen und umstellen müssen, zum anderen aber auch bei den Konsument*innen, die sich nicht nur nachhaltige Alternativen wünschen, sondern diese auch kaufen bzw. konsumieren müssen. Deshalb ist es wichtig, dass die Kund*innen auch darüber informiert werden, wie nachhaltig oder eben nicht die Medien produziert wurden.

Wie kann Green Producing stärker nach außen getragen werden?

Dafür kann man sich am „AIDA-Modell“ orientieren – “attention”, “interest”, “desire” und “action”. Wenn es um Film- und Fernsehproduktionen geht, dann besteht aus Konsument*innensicht bisher wenig Aufmerksamkeit. Sie wissen gar nicht, wie viele Ressourcen für eine Medienproduktion eigentlich verbraucht werden. Das wäre der erste Schritt, denn das Interesse für Nachhaltigkeit ist bei vielen da.

Ist es schwierig, Nachhaltigkeit mit Marketing zu verknüpfen?

Wichtig ist zu verstehen, dass Marketing mehr ist als nur Kommunikation, wenn man Marketing ganzheitlich betrachtet. Es geht auch um das Mind Set und die gesamte Wertschöpfungskette. Denn Nachhaltigkeit fängt vorne an, in der Produktion, Forschung und Entwicklung. Wenn ich ein Produkt herstelle und als Unternehmen wirklich eine nachhaltige DNA haben möchte, dann mache ich mir darüber Gedanken, wo ich meine Ressourcen herbekomme? Und das zieht sich dann durch die verschiedenen Bereiche eines Unternehmens, bis hin zur Kommunikation. Da ist dann nicht mehr viel zu machen, wenn man durchgängig nachhaltig agiert hat. Dann kann man transparent kommunizieren und es besteht auch nicht die Gefahr des Greenwashings. Zu sagen, wir pflanzen jetzt irgendwo Bäume, aber letzten Endes ändern wir an unserer Produktion überhaupt nichts – das reicht nicht aus und ist der falsche Weg.

In puncto Vertrieb und Produktion ist es ganz wichtig festzuhalten, dass Nachhaltigkeit eben nicht nur die ökologische, sondern auch eine soziale und wirtschaftliche Komponente hat. Haben alle Mitarbeiter*innen dementsprechend Verträge? Gerade in der Medienbranche wird viel über Praktikant*innen und Volontär*innen geregelt. Wie sieht es da mit einer fairen Bezahlung aus?

Wie schätzen Sie generell das Interesse von Kund*innen an nachhaltig produzierten Medienprodukten ein?

Ich glaube es gibt viele, die sagen, „das ist nachhaltig produziert, das finde ich super“. Zudem kann ich mir vorstellen, dass das Interesse mit dem steigenden Bewusstsein größer wird. Wer nutzt denn zum Beispiel vor allem Online-Streaming-Dienste? Das spricht primär die jüngere Generation an. Da ist das Interesse da, aber ihnen ist nicht bewusst, wie viel Ressourcen-Einsatz für einen Film, eine Serie oder auch das Online-Streaming nötig ist. Da wäre z.B. ein Making-Of sinnvoll, in dem man sieht, wie Szenen gedreht werden und wie viele Ressourcen aufgewendet werden müssen.

Allerdings besteht eine Differenz im Vergleich zum Konsum von nachhaltig produzierten Lebensmitteln oder Kleidung. Warum? Naja, wenn ich nachhaltig produzierte Lebensmittel esse, betrifft mich das unmittelbar. Als Konsument glaube ich, dass dies auch Auswirkungen auf meine Gesundheit hat. Ebenso bei nachhaltig produzierten Kleidern. Da sind die Farbstoffe vielleicht schädlich für meine Haut. Oder ein ganz banales Beispiel, warum kaufen Konsument*innen gerne Elektrogeräte in einer hohen Energieeffizienzklasse? Weil sie dadurch Kosten sparen. Insofern ist das immer sehr komplexes Gefüge von Faktoren, die bei der Entscheidung für nachhaltige Leistungen relevant sind. Ich denke auch, dass es gerade dies für die Film- und Medienproduktion eine Herausforderung ist, denn es betrifft Konsument*innen nicht unmittelbar. Eine Kund*in merkt die Folgen eines nicht nachhaltig produzierten Films nicht unmittelbar. Der Film sieht genauso aus, der läuft genauso auf dem Fernseher, iPhone oder wo auch immer. Da besteht mit Sicherheit noch eine Herausforderung.

Wie können Medienschaffende transparenter werden?

Man könnte zum Beispiel hinter jeden produzierten Beitrag eine Information über den ökologischen Footprint setzen und dann gegebenenfalls darstellen, wie man diesen reduziert hat. Alternativ wäre auch der Einsatz von spezifischen Nachhaltigkeitsindikatoren- oder kennzahlen für die Branche. Insgesamt ist da ist noch viel Aufklärungsbedarf nötig. Was meines Erachtens besonders wichtig ist, ist nicht nur, die Konsument*innen an sich zu betrachten, sondern verschiedene Stakeholder miteinzubeziehen. Standards sollten in den Selbstverpflichtungen der Industrie formuliert werden. Gibt es vielleicht Zertifizierungen? Die Vergabe eines Nachhaltigkeitssiegels nach erfolgreicher Zertifizierung nachhaltiger Produktionen wäre hierbei durchaus denkbar. Ein solches Siegel wäre ein gutes Signal, mit dem man aufzeigt, dass der Film nach xy zertifiziert und dementsprechend nachhaltig produziert wurde. Zudem könnte man Nachhaltigkeitsreports erstellen oder am Ende des Beitrags Informationen zur Klimaneutralität einer Produktion einblenden.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Green Producing?

Ich finde es erschreckend, wie wenig man als Konsument*in darüber nachdenkt, wie Filme und Serien produziert werden und welche Auswirkungen die Produktionen auf unser Klima haben. Ich würde mir wünschen, dass sich das Bewusstsein bei den Konsument*innen stärkt, ebenso wie auf Unternehmensseite. Wir alle sind in der Pflicht. Denn wir alle müssen gemeinsam anpacken und umdenken, bevor es zu spät ist. Ein „weiter so wie bisher“ kann nicht lange gut gehen. Unternehmen, die hier vorangehen können neue Standards setzen und auch „nachhaltig“ erfolgreich sein.

 

 

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