Suche
Close this search box.

Landwirtschaft in Peru: Ackerbunt – auf der Suche nach dem Kartoffelparadies

Von Elisabeth Weydt

Wir wussten nicht allzu viel von den Quechua-Schwestern in den Anden Perus. Jemand hatte mir und Jakob, einem Freund und Kameramann, von der Initiative erzählt. Es ging um mehrere hundert Sorten Kartoffeln und um wachsende Wasserteiche auf über 3.000 Metern Höhe. Es klang abstrus, aber spannend: Ein Kartoffelparadies hinter den sieben Bergen, wo doch alle anderen über ausgelaugte Böden und den Klimawandel klagten. Es versprach eine gute Geschichte, aus der unser Storytelling-Projekt. „Ackerbunt“ wurde. 

Wir entdeckten ein Stipendium vom Eco Fair Trade Programm der EU, die Geschichten zum Thema Ernährung suchten – unsere Chance, denn eine Redaktion hätten wir wohl kaum überzeugen können, uns die Reise zu finanzieren. Wir bekamen das Stipendium und konnten die Flüge buchen.

Der Email-Kontakt im Vorfeld war spärlich. Wir konnten nicht viel mehr klären, als dass die Felder irgendwo in der Nähe von Ayacucho liegen mussten. Die Bauern waren anscheinend einverstanden, dass wir kommen. Und höchstwahrscheinlich war im Mai Erntezeit. Es war tatsächlich Erntezeit als wir ankamen, und der Beginn von knapp 14 Tagen Pellkartoffeln mit Käse, äußerst köstliche Pellkartoffeln mit äußerst köstlichem Käse allerdings.

Altes Wissen und Alpaka-Decken

Die Schwestern Magda und Marcela haben uns warmherzig empfangen und uns durch ihr kleines Reich kutschiert. Wir verbrachten mehrere Tage hoch oben in den Anden Perus. Tagsüber lernten wir etwas über die traditionellen Anbaumethoden der Quechua und ihre Jahrtausende alte Geschichte, nachts starrten wir erst in den Sternenhimmel, und versuchten dann unter zehn Alpaka-Decken trotz unglaublicher Kälte ein bisschen Schlaf zu finden.

Peruanische Kartoffen sind bunt und vielfältig - und ihr traditioneller Anbau eine gute Geschichte wert -
Peruanische Kartoffen sind bunt und vielfältig – und ihr traditioneller Anbau eine gute Geschichte wert –

Mir machte die Höhe ziemlich zu schaffen, Jakob ging es gut, dafür musste er das Equipment tragen. Wir wunderten uns über die Energie der Machaca-Schwestern, die kaum zu schlafen schienen und für jeden, den sie trafen, ein paar warme oder scherzhaft-fiese Worte übrig hatten. Sie konnten auch uns sehr schnell für sich gewinnen.

Distanz wahren? Schwierig

Die nötige journalistische Distanz zu wahren und die Fakten zu überprüfen war nicht ganz einfach. Wir waren auf ihre Zahlen und Erzählungen angewiesen, es untersuchte ja sonst niemand ihre Ernte. Um zusätzliche Einschätzungen einzuholen, sprachen wir noch mit Terres des Hommes und der Welthungerhilfe, die die Arbeit der Schwestern unterstützen, und mit einem Agrarprofessor, der sich mit ihrer Organisation ABA beschäftigt hat.

Schon vor der Reise nach Peru hatten wir uns Gedanken über ein grobes Konzept zur Ästhetik einer Multimedia-Reportage gemacht. Es war also klar, welche Art von Bildern wir sammeln wollten. Auch hatten wir schon mit einer Illustratorin über Möglichkeiten gesprochen, wie man Situationen, die wir nicht miterleben konnten, mit Illustrationen visualisieren könnte.

Recherche: Auf das Pachamama weiter Wasser bringe

Einen seltenen Moment konnten wir miterleben: das jährliche Wasserfest zu Ehren von Pachamama und Mama Agua. Um 2 Uhr nachts sind wir dafür in der alten Kolonialstadt Ayacucho aufgebrochen und mit dem Geländewagen hoch in die Berge gefahren. Auf der Ladefäche ein riesiger Topf mit Quinoa-Suppe, den die Schwestern am Abend zuvor gekocht hatten, auf der Rückbank drei Schwestern und eine Autorin. An den Polizeikontrollen musste sich immer eine im Fußraum unter der Decke verstecken. Oben angekommen gab es dann drei Teller Suppe zum Frühstück und mehrere Gläschen Schnaps, auf dass Pachamama auch in den nächsten Jahren noch weiter Wasser und Fruchtbarkeit bringe.

Die Reporterinnen auf der Suche nach der Wassergeschichte und den richtigen Kartoffeln.
Die Reporterinnen auf der Suche nach der Wassergeschichte und den richtigen Kartoffeln.

Auf unserer Recherchereise erfuhren wir also, dass das Besondere gar nicht unbedingt die mehr als 400 Sorten Kartoffeln waren, sondern die Energie der Schwestern, die Gemeinschaft der Bauern und die selbst angelegten Lagunen, ohne die es diese vielen Sorten an Kartoffeln, Quinoa, Mais und anderen Gewächsen gar nicht gebe. Die Bauern haben Wasser wachsen lassen. Dann erst kam das ganze Gemüse – eine kleine Schöpfungsgeschichte.

Perus Bedrohter Wasserschatz

Und wir erfuhren, dass das dieser Garten bedroht ist. Unter ihm liegen Bodenschätze, die Konzessionen sind verkauft. Erstaunlicherweise ließen die Bauern sich davon nur wenig beirren. Sie vertrauen auch hier auf die Gemeinschaft. Denn nur wenn es genügend Stimmen für den Bergbau gibt, kann auch tatsächlich offiziell und legal gegraben werden.

Zurück in Deutschland und Österreich haben wir dann versucht unsere Eindrücke auf die anderen Team-Mitglieder zu übertragen: Die Illustratorin, die Musiker und den Programmierer. Wir entschieden uns dafür die Illustrationen für Vergangenes, Zukünftiges und den mythologischen Aspekt in der Kultur der Schwestern einzusetzen. Es dauerte eine Weile ein geeignetes Tool zu finden und die Bilder, Texte, Videos, Musik und Illustrationen so zu arrangieren, dass es nicht harkte, aber jetzt läuft die Geschichte auf fast allen Ausspielmöglichkeiten rund.

Share on:

Related Posts

KLEINFLUSSLIEBE – mein schwarzer Gast

Das ist die Kolumne zu Natur, Zeit und Medien von Torsten Schäfer, Projektleiter bei Grüner-Journalismus, Umweltjournalist und Professor für Journalismus und Textproduktion an der Hochschule Darmstadt. In FOLGE 5 der KEINFLUSSLIEBE geht es um einen Vogel, der lange fern blieb und nun zurückgekehrt ist.

weiterlesen
Skip to content